www.underWATERcam.tv - stock footage & video production
Buckelwale in Tahiti, bei 28°C Wassertemperatur, das war bisher meine Welt. Schimpf mich Tropentaucher oder Warmduscher und ich werde Dir ohne zögern zunicken.
Orcas in den norwegischen Fjorden im Winter? Der Gedanke allein verursachte in mir spontane, unkontrollierte Zitteranfälle.
Als mir aber im Dezember 2017 das Angebot eröffnet wurde, dort einen Film für die proWIN – pro nature Stiftung zu machen, sagte ich ohne das geringste zögern „JA“. Also Jahahahah, ein Ja mit einem Bibbern aus dem Unterbewusstsein im Anhang.
Die Perspektive Schwertwalen in freier Wildbahn und ihrem Element begegnen zu dürfen war einfach so verlockend, dass es in dem Moment keinen Platz für Zweifel gab.
Letztere kamen, als ich Frostbeule begann genauer über das Projekt nachzudenken. „Helden sterben jung“, oder „ nur die harten kommen in den Garten“ sagt der Volksmund. Da ich aber weder das eine, noch das andere wirklich bin und auch keinen Garten habe, bekam er wieder Auftrieb, der sprichwörtliche „Arsch auf dem Grundeis.“ Und weil sie gerade sprudeln, die Volksweisheiten, hier noch'n Gedicht: „Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung!“
Aber trifft das auch unter Wasser zu?
Dann ging mir ein Nordlicht auf: „Glaube versetzt (Eis)berge!“
Ich dachte mir aber auch, es wäre vielleicht besser diesen Glauben mit handfesten Argumenten zu untermauern und so griff ich auf die Expertise meiner Mares Ambassdor Freunde zurück.
Fred Buyle, der schon jedes Wasser auf diesem Planeten „frei“ mit seiner Kamera betaucht hat, Nik Linder, mit seinen unter Eis Freitauch Weltrekorden, sowie René Trost und Christian Redl, die die Bergseen der Schweiz und Österreichs 12 Monate im Jahr betauchen.
Schnell wurde klar, dass ein Trockentauchanzug nicht die erforderlichen Kriterien erfüllen würde. Um agil und auch mal ein paar Meter abtauchen zu können, musste es ein Nasstauchanzug sein. 7mm open cell, der aufgrund seiner glatten Innenseite praktisch zu einer zweiten Haut wird. 6,5mm Flexa Fit Fingerhandschuhe und 5mm Mares Flex open cell Socken sollten den 7 mm Squadra Anzug praktisch an den Extremitäten verschliessen. Meine geliebten Avanti Quattro Power blieben zu Hause und wurden von den Razor Matrix Karbonflossen ersetzt.
Ganz ehrlich und echt - als ich die gesamte Ausrüstung zusammen hatte, konnte ich es kaum noch erwarten das Zeug nass zu machen. Voller kindlicher und erwartungsvoller Aufregung begann ich meine Reise nach Tromsø. Dort traf ich meine beiden Freunde Michael Winter von der proWIN- pro nature Stiftung und den Schweizer Naturfotografen Raphael Studer.
344 km nördlich des Polarkreises hört sich erst mal richtig kalt an, aber da dort die Ausläufer des Golfstroms ankommen, ist es für diese nördlichen Breiten relativ mild. Ausserdem ist Anfang November praktisch noch „Spätsommer“ in der Region, ...sagen die Locals!
Von Tromsø aus ging es noch gute 4 Stunden mit dem Auto über Brücken, durch Tunnel und unzählige Fjorde nach Skjervøy. Schöne Landschaften? Nun, unsere Abfahrt um 17:00 Uhr in Tromsø begannen wir bei einer gefühlten Tageszeit von 21:00 Uhr. Die Landschaften hatten sich schon beim Sonnenuntergang um 15:00 Uhr begonnen zu verstecken. Unsere gefühlte Abfahrtszeit war dann unsere tatsächliche Ankunftszeit im Orca Camp, das von Frank Wirth und seiner Wal-erfahrenen Pico Sport Crew organisiert wurde.
Mit Babyöl auf der Haut, etwas Shampoo im Anzug und Melkfett an Händen und Füssen, rutschflutschte ich am nächsten Morgen in den Squadra Anzug. Das Babyöl ist Chris Redl's erste Wahl. Nik Linder macht's mit Schaum und René Trost schwört auf das Melkfett. Ich dachte mir alle guten Dinge sind drei und manchmal ist mehr einfach mehr und eben nicht weniger. Wie? Na Ihr wisst schon!
Kaum hatte uns unser Kapitän Emanuel Goulart aus der kleinen Marina geskippert, sichteten wir die ersten Schwerter, die sich durch die dunkle Wasseroberfläche schnitten. Meine erste Orca Begegnung!
Je dichter wir ihnen kamen, desto deutlicher hörte und sah man ihren Blas. Die warme, feuchte Ausatemluft beim Auftauchen, die von weitem schon zu sehen ist und deren Geräusch mir beim näherkommen einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Der Begriff Ehrfurcht kommt mir als erstes in den Sinn, Ehrfurcht, aber ohne Furcht.
Orcinus orca – der Wal aus dem Reich der Toten. Schwertwal und Killerwal sind recht martialische Namen für diese schönen Tiere. Aber gut, die haben wir Menschen ihnen ja gegeben. Seit den ersten Beobachtungen durch Walfänger, wird über ihre grausam erscheinenden Jagdmethoden berichtet.
Und seit der ersten „Blue Planet“ Ausstrahlung wissen selbst Kinder, dass Orcas Walbabys anderer Walarten, von ihren Müttern trennen, um sie zu töten und hinterher nur die Zunge des getöteten Babys zu fressen. Auch Berichte darüber, wie sie weisse Haie erlegen, um dann nur deren fette Leber zu fressen, machten schon die Runde.
Die Art (Orcinus orca) ist das grösste Mitglied der Delfin Familie, reiht sich dann aber wieder in die Ordnung der Wale ( Cetaceans), also der Meeressäuger ein.
Wer denkt Delfine sind immer „die Guten“, also sympathische, freundliche, liebevolle Tiere, der irrt. Nur um sich paaren zu können, bringen Bullen durchaus mal ein Delfinbaby um. Sie quälen auch mal einen Kugelfisch, um sich an seinem Gift berauschen zu können.
Vielleicht haben wir deshalb ja diese Affinität zu ihnen. Wie wir Menschen tragen sie eine dunkle Seite in sich. Killerwal und Killer Primat.
Angeschwipst hauen wir uns die Gänseleberpastete, oder den lebendig ins kochende Wasser geworfenen Hummer in den Wanst. Ganz zu schweigen von all den unter erbärmlichen Lebensbedingungen industriell gezüchteten Tieren, von denen viele nicht nur umsonst sterben, sondern schon umsonst geboren werden, weil sie praktisch als verdorbene Wurst im Abfall landen.
Um den Bogen zurück zu den Orcas zu bekommen, sei hier kurz erwähnt, dass der Walkadaver ohne Zunge nicht ungenutzt bleibt. Bis seine Gebeine von Würmern und Bakterien blankgeputzt sind, kommt er der ganzen Nahrungskette in den Ozeanen zu gute.
Die Orcas, zu denen wir ins Wasser wollen, ernähren sich hauptsächlich von Fischen. Hier in Norwegen folgen sie Heringsschwärmen, die sich in den Fjorden zum laichen versammeln.
Ihr soziales Verhalten und ihre Intelligenz zeigt sich einem, wenn man mit der richtigen Kleidung zu ihnen ins 5-6°C kalte Wasser geht.
Unser erster Pod war am frühen Morgen schon in Fresslaune. Man sah wie die Tiere von einem eher entspannten Abhängen in den Jagdmodus wechselten.
Das auf - und abtauchen fand nun schneller und in kürzeren Abständen statt. Möwen gesellten sich dazu und an der Wasseroberfläche war ein Teppich aus kleinen Bläschen auszumachen. Zeit ins Wasser zu gehen.
Ein Bein über der Bordwand hängend, die Kamera auf dem Schoss, warteten wir auf das Zeichen von unserem Guide und Skipper Emanuel. Als das „GO“ kam glitt ich ins kalte, dunkle Wasser. Kalt? Überraschender Weise blieb ein Schock und sogar ein unangenehmer Schauer völlig aus. Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht einmal nass wurde in meinem Squadra 7mm Nasstauchanzug.
Diese erfreuliche Wahrnehmung war kurz, denn jetzt ging es ab und ob warm, kalt, trocken oder nass war total egal.
Ein undurchdringlich erscheinenden Vorhang von Heringen öffnete sich unter uns und gab die Bühne für die Orcas frei. Natürlich nicht aus Freundlichkeit, sondern aus reinem Überlebenswillen teilte sich der Heringsvorhang. Orcas waren jetzt rechts, links, vor und unter uns. Manchmal schienen die Wale einfach nur friedlich durch den Schwarm von Heringen zu schwimmen. Im nächsten Augenblick stürzten sie sich dann kopfüber hinein in den Schwarm, bremsten mit den Brustflossen ab, brachten die Fluke nach vorn, um dann in einer Rückwärtsrolle mit der Fluke in den Heringsschwarm zu schlagen. Anschliessend wurden die benommenen und verletzten Heringe, einer nach dem anderen, aus dem Wasser gepflückt.
Dieses akrobatische Jagdmethode präsentierten sie uns wiederholt in Einzel- und auch Gruppendarbietungen.
Zwischen den Akten kamen sie dann mal eben bei uns vorbeigeschwommen. So als würden sie sich etwas Applaus abholen wollen. Da meine Hände aber mit der Kamera beschäftigt waren könnte ich nur zustimmend nicken und innerlich im Stillen Danke sagen.
Dankbar war auch der ein oder andere Heilbutt, der hier einen Happen schmarotzen konnte. An der Wasseroberfläche waren es die Möwen, die sich die zur Oberfläche treibenden Reste der Mahlzeit zu schnappen versuchten. Ihre Schreie hörten sich eher fordernd, als dankbar an:
„mehr,mehr,mehr ...“
Plötzlich war dann wieder Ruhe und die Orcas verliessen die Szene. Der Heringsschwarm sank zurück in die Tiefe und ließ auf dem Schlachtfeld nur noch vereinzelte, ungefressene Opfer zurück.
Seltsam dachte ich und nutzte die Zeit mal nachzufühlen,wie ich mich nach 15 Minuten im kalten Wasser so fühlte. Cool wäre die falsche Beschreibung. Bis auf Finger, Zehen und kleinere Rinnsale kalten Wassers, die mir beim Abtauchen langsam den Rücken hinunterkrochen, fühlte sich alles recht komfortabel an.
Ein wahrlich kleiner Preis für das Privileg, solch einem Spektakel beiwohnen zu dürfen.
Und dann waren sie wieder da. Ein großer Bulle kam majestätisch und selbstbewusst langsam auf mich zu. Bevor er ganz an mir vorbei war, drehte er noch einmal den Kopf zu mir ein und schien mir zuzunicken. Gänsehaut!
Einige Tiere scheinen hier einfach ihr Ding zu machen. Ob du Mensch oder Möwe bist, macht keinen Unterschied. Andere wiederum schauen dich sehr genau an, während sie dich obendrein noch mit ihrer Echoortung „durchklicken“.
Wenn mir kalt gewesen wäre, hätte ich es bei diesem, allerspätestens aber beim nächsten Erlebnis vergessen.
Im Glauben die Szene wäre vorüber, wollte ich die Aufnahme stoppen. Gerade als mein Daumen begann den Knopf durchzudrücken begann die Zeit einerseits in einer extremen Zeitlupe abzulaufen, andererseits schien sie sich selbst überholen zu wollen. In dem Moment, als der Knopf das Stopsignal an die Kamera übermittelte, begann ein Schwarm Heringe das Fliegen lernen zu wollen. Noch bevor ich „Shit“ denken konnte und das Abschalten der Kamera nicht mehr stoppen konnte, drückte ich wieder den Aufnahmeknopf. Wie die Kamera meine Anweisungen interpretieren würde, wusste nur der Geier und sie selbst. Die Heringe mussten mittlerweile Richtung Alpha Centauri unterwegs sein und ich wäre Ihnen gern durch ein Wurmloch gefolgt, als ich zu realisieren begann, dass es sich bei dem, was sich da auf mich zubewegte, um den offenen Rachen eines Finwals handelte. Dünner Hering hatte man mich in meinem Leben schon oft genannt, aber noch nie hatte ich mich selbst tatsächlich so sehr als einen wahrgenommen, wie in diesem Augenblick.
Das ist natürlich gelogen, denn in diesem kurzen Moment gab es keinen Platz für Gedanken oder Interpretationen. Es gab keine Zeit zum Staunen oder sich zu ängstigen. Als der hinterher galoppierende Geist dann irgendwie zu dem Geschehen aufschliessen konnte, war es auch schon wieder vorbei. Wo gerade noch Heringe waren, schwamm ich jetzt in einem Schwarm von Fragezeichen, inmitten eines Meeres der Sprachlosigkeit.
Unser Skipper Emanuel, der das Ganze vom Boot aus beobachten konnte, erzählte uns später, dass sich der Wal sich genau zwischen Michael auf der einen Seite und Raphael und mir auf der anderen Seite, mit offenem Maul aus dem Wasser schraubte. Auf der Welle die er dabei erzeugte, surften wir ungewollt von ihm weg. Viel Platz war nach Emanuels Aussage nicht zwischen Wal und uns. Umso erstaunlicher ist es, dass uns nicht eine der über 40 Tonnen Wal gestreift hat.
Zugern würde ich wissen was die Wahrnehmung des Wals war. Hat er uns wahrgenommen und ist er bewusst ausgewichen, oder hatten wir einfach nur Glück?
So, die ersten 20 Minuten im kalten Wasser der Fjorde waren vorüber und ich fragte mich was jetzt eigentlich noch kommen sollte. Kaum zu Ende gedacht raste unerwartet und fast ungesehen, ein Buckelwal von hinten kommend an uns vorbei.
Eins wurde mir klar, wenn man hier im Wasser ist, hat man keine Chance vorherzusehen von wo sich das nächste Fressgelage nähert. Sicherlich von irgendwo da unten, wo die Heringe im dunklen Wasser schimmern. Aber wenn die das Fliegen lernen wollen, kann man eigentlich nur noch auf die Wale hoffen, dass sie es zu vermeiden verstehen, sich an einem falschen Hering zu verschlucken.
So verbrachten wir die nächsten sechs Tage. Etwas weniger spektakulär, aber jede Begegnung mit einem Tier ist einmalig und unvergleichlich. Von oberflächlichen Begegnungen im Vorbeischwimmen, bis zu Momenten in denen einem die Tränen vor Glück in den Augen standen.
Ich war überrascht zu sehen, wie viele Boote sich in den nächsten Tagen zum Whale watching hier in den Fjorden einfanden. Manchmal schien es so, als würden die Tiere sich gestresst fühlen. Statt sich ganz auf die Jagd konzentrieren zu können, mussten sie auch noch darauf achten nicht mit Booten zu kollidierten. Kaum hatten sie sich von einem Pulk Boote befreit, näherte sich schon die nächste Armada.
Das ist die andere Seite, des sonst positiv zu bewertenden Trends, dass immer mehr Menschen sich von der Natur und ihren Schauspielen so angezogen fühlen. Menschen, die ihren unschätzbaren Wert erkennen und die Bereicherung, die Erlebnisse in der Natur für ihr Leben darstellt.
Sie sind es, die zu Botschaftern für die Natur werden. Die sich gegen die Zerstörung der natürlichen Lebensräume von wilden Tieren stellen und sich für ihren Schutz einsetzen.
Diese Art des Tourismus verändert nicht nur etwas im Bewusstsein derer, die dafür Geld bezahlen, sondern ins-besondere auch bei denen, die es damit verdienen ( können).
Norwegen ist (noch) eine Walfangnation. Trotz dem das Fischereiministerium die Quoten erhöht, werden immer weniger Wale gefangen. Noch steht Walfleisch auf der Speisekarte einiger Restaurants und wird auf Märkten sogar als Souvenir verkauft. Aber der Widerspruch mit Walfang und Waltourismus gleichermassen Geld zu verdienen, wird auch den Norwegern langsam bewusst.
Ob es nun Waltourismus, Tauchtourismus oder eine andere Art des Naturtourismus ist, die Dosis und die Herangehensweise macht den Unterschied. Sollten wir den Tieren einen gewissen Stress zumuten, um langfristig mehr und mehr Fürsprecher, Unterstützer und Fans für sie zu gewinnen? Ich denke ja, aber mit Augenmass und (Selbst)Verantwortung. Je mehr wir uns in der Natur aufhalten, über sie lernen und das staunen dabei nicht verlernen, desto mehr wird uns bewusst, dass wir ein Teil von ihr sind und dass wir ohne sie NICHTS sind.
Wie so oft macht es die Balance und der kritische Blick in den Spiegel, den man sich ohne Schleier öfter mal stellen/gönnen sollte.
Inzlinger Str.25, 79540 Lörrach , GERMANY | +49 (0)1765 777 30 81