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Manta Passion
Rangiroa heißt der Ort, an dem ich zu Hause bin. Zumindest seitdem ich vor 6 Jahren meinen Lebensmittelpunkt von Berlin in den Suedpazifik verlegte. Es ist das zweitgrößte Atoll unseres Planeten und das größte der fünf Archipele Französisch Polynesiens. Sein Name bedeutet „weiter, grenzenloser Himmel. Er beschreibt exakt das Phänomen , das einem die Sinne bezaubert, wenn an einem windlosen Tag, die riesige spiegelglatte Lagune am Horizont mit dem wolkenlosen Himmel zu verschmelzen scheint.
In Taucherkreisen ist der Name Rangiroa allerdings für ein anderes Naturschauspiel bekannt. Seine außerordentliche Konzentration von Großfisch. Besonders seine enormen Haipopulationen, darunter graue Riffhaie, Silberspitzen Haie, Seidenhaie und große Hammerhaie, ziehen Großfischfans aus der ganzen Welt an.
Unterwasserfilmer machen die lange Reise in die Mitte des Südpazifiks, um sie mit ihren Kameras zu jagen.
Howard Hall, Jean-Michel Cousteau, Luc Besson , Jean-Jacques Mantello,...und viele andere mehr. Ich hatte sogar die große Ehre mit einigen von ihnen tauchen zu koennen. Meine kleine 3 Chip Mini DV Kamera neben ihren riesigen Beta-, HD- und IMAX 3D- Kameras geparkt .Ich muss zugeben, dass ich dem Treiben nicht ganz ohne Neid beiwohnte.
Straffe Zeitpläne allerdings, ließen sie immer früher abreisen als ihnen lieb war.
Ich blieb hier, tauchte Tag ein Tag aus, füllte Kassette für Kassette , ... erst Mini DV und später HDV. Auf der Suche nach der Schönheit in der Kreatur, ...in der Natur. Auf der Jagd nach einer besseren Aufnahme als der vorhergehenden, ...nach dem „perfekten Schuss“.
Und ich fragte mich ob sich meine Ausdauer und Geduld eines Tages auszahlen wird?
7. August 2006, das Atoll von Rangiroa in Französisch Polynesien.
Es ist das Ende eines typischen Drift-Tauchganges durch die Passage von Tiputa;
...für alle die diese Gegend nicht kennen, ...der Pass von Tiputa ist einer von zwei natürlichen Kanälen, die den pazifischen Ozean mit der von einem Korallengürtel umschlossenen Lagune des Atolls verbinden.
Sie sind die Lebensadern des Atolls. Um ihre Mündungen herum konzentriert sich das Leben. Hier wird gefressen, und sich reproduziert , ...wenn man nicht schon zuvor gefressen wird.
Wie dem auch sei, ...es ist also das Ende eines dieser typischen Drifts, die im „Big Blue des pazifischen Ozeans beginnen und im sogenannten Aquarium der smaragdfarbenen Lagune enden. Begrüßt von einer Gruppe Delfinen, die hier seit Generationen zu Hause ist, ... vorbei an der eindrucksvollen Schule Barrakudas, die wie ein Tornado im kristallklaren Wasser kreist, ... hinweg, über die ca. 300 Individuen zählende Garde von grauen Riffhaien, die den Eingang zur Passage bewacht.
Der Grund des 55 Meter tiefen Kanals gleicht einer Mondlandschaft Die bis zu 7 Knoten starke Strömung lässt hier kein Korallenwachstum zu. Trotz seiner Kargheit ist der Pass ein Highway des Lebens. Migrationsweg für unzählige Spezies auf dem Weg vom Ozean in die Lagune, ...oder eben anders herum. Mit den Pendlern kommen die Jäger, die schnell selbst zu Gejagten der hier ansässigen Top-Predatoren werden. „Tamataroa“, wie ihn die Polynesier nennen, ist einer von ihnen. In unseren Kreisen besser bekannt unter dem Namen „Sphyrna mokarran“ oder großer Hammerhai.
Ich bin zufrieden mit dem Tauchgang und den Bildern, die ich an diesem Tag machen konnte. Schon gedanklich mit diesem Tauchgang abgeschlossen, will ich gerade meinen Aufstieg zur Oberfläche beginnen, als ganz unvermittelt noch ein Manta an mir vorbeizieht. Er, oder besser Sie, ...wie sich später noch herausstellen wird, schwimmt mit der Strömung in die Lagune hinein. Instinktiv beginne ich mit der Aufnahme und versuche dem Tier zu folgen. Der Abstand zwischen uns wird jedoch von Sekunde zu Sekunde größer. Ich fühle mich wie eine Schnecke auf der Pferderennbahn. Gerade als ich die Aufnahme beenden will, kommt ein zweiter Manta in Sicht .Er, ...und es handelt sich hier tatsächlich um ein männliches Tier, ist gegen die Strömung ausgerichtet.
Das Weibchen schwimmt zügig weiter auf ihrem Kurs. Sie passiert das Männchen, das sich unmittelbar aus der Strömung heraus dreht und ihr folgt.
Sie legt an Tempo zu, offensichtlich ist ihr heute nicht nach Gesellschaft. Der Kerl lässt sich davon aber nicht beeindrucken und beschleunigt ebenfalls, ...ich lahme Ente werde natürlich wieder abgehängt! Trotz neuester Ausrüstung, Split- Force- oder Power Fins, ...wir werden wohl immer nur Fische zweiter Klasse bleiben.
Ich stoppe letztendlich die Aufnahme und tröste mich mit dem Gedanken an ein gepflegtes Apres-Dive Bier.
Gerade als ich meine Kamera ganz ausschalten will werde ich Zeuge eines außerordentlichen Ereignisses, dessen Schönheit mich fast erstarren lässt. Zur gleichen Zeit steigt Panik in mir auf: „oh mein Gott, versau’s bloß nicht, ...vielleicht sollte ich ein wenig ranzoomen, ... die Strömung treibt mich stetig näher heran, es ist eventuell besser auf Autofokus zu gehe ,...hoffentlich störe ich das Treiben nicht, ...starte die Aufnahme, ... verdammt, starte sofort die Aufnahme!
Die Kamera läuft schon, als meine Gedanken wieder klar werden und ich die letzten Einstellungen vornehme.
Das Spektakel gleicht einem Flamenco. Beide Tänzer drehen sich mit ausgebreiteten Armen (Flügeln) um eine gemeinsame Achse. Sie hat ihm dabei den Rücken zugewandt und scheint sich der Lage immer noch entziehen zu wollen. Das Schauspiel ist so faszinierend, dass ich versucht bin den Blick vom Monitor zu nehmen um dem Treiben einfach live zuzuschauen. Aber mir wird bewusst, dass möglicherweise bisher niemand Gelegenheit hatte solch einem Ereignis mit einer Kamera beizuwohnen.
Die Situation verliert ihre Romantik, als sein Drängen hastiger wird. Er öffnet und schließt sein Maul, als würde er nach Luft schnappen. Nach einigen Augenblicken wird aber klar, dass er versucht in ihre Flossenspitze zu beißen. Hiervon scheint der Erfolg des ganzen Unterfangens abzuhängen.
Als es ihm endlich gelingt, ist ihr Wiederstand gebrochen. Bewegungslos verharrt sie und lässt es geschehen. Immer noch ihre Flossenspitze im Maul, kann er seinen Körper um diesen Kontaktpunkt herum drehen, bis sich beide Tiere Bauch an Bauch umeinander drehen.
Die eigentliche Kopulation, dauert nur ca. 25 Sekunden. Danach trennen sich die beiden Tiere wieder und verschwinden in unterschiedliche Richtungen. Sie werden sich vermutlich nie wieder in ihrem Leben begegnen. Und falls doch, ... werde ich sicherlich nicht wieder dabei sein
Peter Schneider
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